Choices

Choices
Feinste Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Hier und jetzt musste sie eine Entscheidung treffen. Sollte sie ihren Weg fortsetzen oder sich dagegen entscheiden und umkehren? Nur noch zwei Scans ihres Daumens. Damit würde sie ihr Schicksal besiegeln. Sie schluckte schwer, schloss die Augen und holte tief Luft.
Nur einen Schritt weiter. Dann konnte sie sich immer noch entscheiden, die ganze Sache abzubrechen und in ihren Safe Place zurückkehren. Nur mal einen Blick in den Raum dahinter werfen. Was sollte schon großartig geschehen?
Sie zögerte noch ein paar Sekunden, machte sich noch einmal die Konsequenzen ihres Handelns bewusst, dann presste sie viel zu fest ihren Daumen auf den Scanner.
Ein leichtes Kribbeln fuhr durch ihre Haut hindurch, setzte sich im Arm fort und fand den Weg in ihren Kopf. Ein Schmerz machte sich dort breit. Nur – war er real oder bloße Einbildung? Eigentlich sollte sie nichts spüren. Davon hatten auch die anderen niemals berichtet.
Es summte, es klickte. Das Schloss sprang auf. Sie öffnete die Tür und betrat den Raum, der in völliger Stille vor ihr lag.
Niemand zu sehen. Sie war allein. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, ging an den schmalen Boxen vorbei, die spartanisch mit Tisch und Stuhl ausgestattet waren.
Noch drei, noch zwei, eine. Sie betrat eine der Boxen, ließ sich leise auf dem Stuhl nieder. Der Tisch vor ihr war leer. Lediglich ein weiterer Scanner war in die Platte eingelassen.
Eine letzte Chance, umzukehren und zu verschwinden. Eine letzte Chance, dem allen hier zu entfliehen, sich in die ausgebreiteten Arme der Freiheit zu begeben.
Noch einmal Augen schließen, durchatmen und alle Optionen durchdacht. Sie seufzte und legte den Daumen auf den Scanner. Augenblicklich wurde die Wand vor ihr transparent, gab den Blick auf einen Monitor frei. Eine Tastatur leuchtete auf der Tischplatte auf. Programmfenster öffneten sich.
„Herzlich Willkommen zu deiner Schicht, Emilia. Du hast 98 neue E-Mails.“
Emilia stöhnte laut auf. Warum sammelten sich nur über die Wochenenden so viele Nachrichten? Sie hasste Montage. Sie hasste ihren Bürojob.
„Dann mal an die Arbeit. Die erledigt sich leider nicht von selbst.“ Sie öffnete die erste E-Mail und setzte sich an die Beantwortung, während ihre Kollegen nach und nach ihre Boxen aufsuchten.
(c) 2025, Marco Wittler

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