Schlagwort: MicroFiction

  • 116. Lynchturm V

    Lynchturm V

    Der alte Leuchtturmwärter wurde aus dem Schlaf gerissen. In der Lampenkammer war etwas krachend auf den Boden gefallen.
    „Was geht denn da vor sich?“
    Er hastete die Treppe hinauf und blieb erschrocken stehen. Vor ihm stand eine Person, deren Kopf am buchstäblich seidenen Faden zur Seite herabhing.
    „Paul!“ Er herrschte den eingeschüchterten Zombie in der Ecke an, der seit kurzem sein Mitbewohner war. „Wenn du den tollpatschigen, fast kopflosen Nick einlädst, sag mir wenigstens vorher Bescheid.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 115. Lynchturm IV

    Lynchturm IV

    Der alte Leuchtturmwärter betrat die Küche, blickte zur Decke und nickte zufrieden.
    Er stieg die schmale Treppe zur Leuchte hinauf. Auch hier war sein Plan aufgegangen. Überall hingen unzählige Leichen von der Decke. Er hatte sie alle überlistet und hingerichtet. Endlich war er die lästigen Qualgeister los.
    Der Leuchtturmwärter stieg auf einen Hocker, nahm die klebrigen Fliegenfänger ab und warf sie mitsamt den Insekten in den Müll.
    „Nachtlicht kann auch Nachteile haben. Jetzt nicht mehr.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 114. Lynchturm III

    Lynchturm III

    Müde kroch der alte Leuchtturmwärter aus seinem Blick. Nur mit kleinen Augenschlitzen mühte er sich die Treppe hoch. In der obersten Etage erschrak er. Vor seinen Füßen lag ein lebloser Körper, daneben der abgetrennte Kopf.
    „Kannst du nicht einmal aufpassen, Paul? Ständig stolperst du über irgendwas und verlierst deinen Kopf. Das nächste Mal, wenn sich ein Zombie als WG-Partner bewirbt, sage ich nein. Diese Tollpatschigkeit hält man ja im Kopf nicht aus.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 113. Lynchturm II

    Lynchturm II

    Die Tür des Leuchtturms öffnete sich. Der Wärter trat ein.Pfeifend stieg er die schmale Treppe hinauf, den Einkauf in seiner Hand.
    Plötzlich erschrak er. Auf dem alten Sofa lag etwas. Es war groß, rund und konnte nur …
    „Ein menschlicher Schädel. Wer ist so skrupellos, dass er einen Menschen in meinem Leuchtturm tötet?“
    Der Wärter ließ die Tasche fallen, wählte die 110 am Telefon. Während es tutete sah er zurück und entdeckte seinen Fehler. Auf dem Sofa lag der Kohlkopf vom gestrigen Einkauf.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 112. Lynchturm I

    Lynchturm I

    Der alte Leuchtturmwärter saß gemütlich in seinem Sessel. Hin und wieder warf er einen Blick nach oben, um das Licht zu kontrollieren, bevor seine Nase wieder in einen spannenden Krimi steckte.
    Plötzlich hörte er einen Schrei. „Da hängt ein angetrennter Kopf. Ruft die Polizei.“
    Schnell lief er zur Tür und seufzte genervt.
    „Leute. Jetzt ehrlich?“ Kopfschüttelnd entfernte er den geschnitzten Kürbis vom Seil. Dass selbst an Halloween die Passanten so empfindlich waren, verstand er nicht.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 111. Leuchtturm der Angst

    Leuchtturm der Angst

    Der alte Leuchtturmwärter saß noch spät in der Nacht in seinem Liegestuhl auf dem Deich und genoss den einsamen Blick auf das unendliche Sternenmeer.
    Ein heller Stern löste vom Firmament, stürzte der Erde entgegen, zog einen langen Schweif hinter sich her und verblasste.
    Fast zeitgleich begann der Boden unter den Füßen des Wärters zu beben. Schnell stand er auf und legte die Hand auf die Wand des Leuchtturms.
    „Keine Angst, Kumpel. Das war nur eine Sternschnuppe. Du musst nicht zittern.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 110. Die gestreifte Todesfalle

    Die gestreifte Todesfalle

    Unter Mühen öffnete er die stählernde Zugangstür des Leuchtturms. Rost rieselte aus den Scharnieren.
    Dem Techniker schauerte es. Die Schauergeschichten über diesen Ort hatte er oft genug gehört. Ein Leuchtturm, der Menschen töten sollte.
    Er stieg die Treppe hinauf, öffnete mit einem Spezialschlüssel die Leuchte und beugte sich für die Wartung hinein.
    Plötzlich bekam er einen Stoß. Die Glastür knallte zu und schloss ihn ein.
    Ein verrücktes Lachen erschallte durch den Leuchtturm.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 109. Krimi

    Krimi

    „Der Boden knarzte. Er …“
    Sie machte beim Lesen eine kurze Pause.
    „… erschrak. Schnell warf er…“ Wieder unterbrach sie die Lektüre, seufzte leise.
    „… einen Blick über seine Schulter und sah…“
    Es war zum aus der Haut fahren. „Wie soll ich die Spannung in dem Krimi genießen können, wenn ich nicht einen Satz am Stück beenden kann?“
    Sie ärgerte sich, den Job als Leuchtturmwärterin angenommen zu haben. Das sich unaufhörlich drehende Licht ging ihr schon in der ersten Nacht auf die Nerven.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 108. Scharf

    Scharf

    „Das duftet so frisch und lecker.“
    Die Schlange kroch seit ein paar Minuten um ein Hustenbonbon herum, das ein Mensch hatte fallen lassen. Irgendwann entschloss sie sich, es zu verspeisen.
    „Verdammt, ist das scharf. Meine arme Zunge.“
    Sie kroch weiter, stieß gegen einen Kaktus. „Meine Zunge ist taub, ich sehe nichts mehr.“
    Das war das Schlimmste überhaupt, denn sie nahm ihre Umgebung mit der Zungenspitze wahr.
    Genervt besorgte sie sich eine Sehhilfe, wurde so zur ersten Brillenschlange.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 107. Verrückt

    Verrückt

    „Papa, können wir mal etwas Verrücktes machen, damit die Menschen über uns staunen, den Kopf schütteln, sich fragen, warum wir das tun? Fallschirmspringen, Wände bemalen oder was ganz anderes.“
    Papa sah sein Kind nachdenklich an und nickte schließlich grinsend.
    Zehn Minuten später hatte er sich ein riesiges Quietscheentchen und den einen Arm geklemmt, das Kind an der anderen Hand und spazierte lachend durch die Stadt.
    „Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt, Papa. Das ist voll peinlich.“

    (c) 2023, Marco Wittler

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner