Schlagwort: MicroFiction

  • 126. Nachtlicht

    Nachtlicht

    Hanna stand am Fenster, hatte die Schreibtischlampe ganz nah an die Glasscheibe gerückt und schaltete immer wieder das Licht an und aus. Im Sekundentakt ließ sie helle Strahlen in die Nacht hinaus.
    „Was machst du da?“
    Mama, die das seltsame Treiben vom Hausflur aus durch die geöffnete Tür gesehen hatte, wunderte sich.
    „Ich bin ein Leuchtturm.“ Die Antwort war für Hanna völlig selbstverständlich. „Ich zeige den Fledermäusen den Weg, damit sie in der Dunkelheit nicht gegen unser Haus fliegen.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 125. Künstliche Intelligenz III

    Künstliche Intelligenz III

    „Computer? Wie weit ist es noch?“
    Der Computer meldete sich mit einem kurzen Akustiksignal, bevor er antwortete. „Vor uns noch 13,4 Lichtjahre Reisestrecke.“ Er schaltete sich wieder ab, um auf neue Sprachbefehle zu warten.
    „Computer, wie lange fliegen wir noch?“
    „Wenn das Schiff die derzeitige Geschwindigkeit beibehält und uns kein Hypersturm aufhält, erreichen wir das Ziel in 2,3 Tagen.“
    „Computer …“
    Der Computer seufzte. Wie hielten die Menschen das Reisen mit kleinen Kindern nur aus?

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 124. Künstliche Intelligenz II

    Künstliche Intelligenz II

    Steve drehte sich auf der Raumschiffsbrücke.
    Schon immer nervte dieses Kameraauge. Nun hatte er ein zweites entdeckt.
    Das Erd-Büro behielt ihn mit zwei KIs im Auge. Er hatte zu viele Blechschäden verursacht.
    „Ich muss sie austricksen und beschäftigen.“
    Er dachte nicht lange nach und stellte eine schwere Aufgabe. „Was ist die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem anderen?“
    Er grinste. Aus einem Buch wusste er, dass die KI nun neun Millionen Jahre beschäftigt sein würden.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 123. Künstliche Intelligenz I

    Künstliche Intelligenz I

    „Ist alles in Ordnung mit dir?“
    Der bohrende Blick seiner Begleitung war Steve nicht entgangen. Dieser war allerdings nicht auf ihren gerichtet, sondern auf das Kameraauge der Bord-KI.
    „Alles bestens. Ich behalte nur die KI im Auge. Ich bin davon überzeugt, dass man ihr nicht trauen darf.“
    Steve kicherte leise. Seit sein Raumschiff über zwei KI Systeme verfügte, beobachteten sie sich gegenseitig und achteten nicht mehr auf ihn. Endlich keine unangenehmen Meldungen mehr an das Büro auf der Erde.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 122. Sommerhitze

    Sommerhitze

    Der kleine Frosch schwitzte. Der Sommer war viel zu warm. „Ich muss zurück zum Teich. Im Wasser kann ich mich abkühlen.“
    Er hüpfte los, folgte dem üblichen Weg durch die Wiese. Doch plötzlich waren da Menschen, die ein Picknick machten.
    Panisch machte er mit einem großen Sprung kehrt und landete in einem leeren Glas.
    „Nein! Hier komme ich nie wieder raus. Die Sonne wird mich grillen.“
    Doch die Sonne hatte Mitleid. Sie schickte einen Sonnenstrahl aus, an dem der Frosch ins Freie klettern konnte.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 121. Mutprobe

    Mutprobe

    „Lass es! Das schaffst du nie!“
    Drei kleine Spinnen wollten eine vierte von einer unglaublich dummen Mutprobe abhalten. Diese riss sich jedoch los. Mir einem breiten Grinsen rannte sie auf ihren vier Beinen los.
    „Du wirst ertrinken und sterben. Das kann nicht gut ausgehen.“
    Kurz vor dem Rand des Schwimmbeckens sprang die Spinne hoch, landete auf dem Kopf eines Menschen und sprang weiter, bis sie das andere Ufer des Freibades erreicht hatte. Stolz jubelte sie laut, dass es überall zu hören war.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 120. Mörderspinne

    Mörderspinne

    „Aaaah!“
    Sie riss die Augen auf, begann zu kreischen. In weniger als einer Sekunde stand sie mit beiden Füßen auf einem kleinem Stuhl und schrie nach Hilfe.
    „Da ist eine riesige Spinne in meiner Küche. Wenn mit niemand hilft, wird sie mich fressen.“
    Ihre Freundin kam herein, sah sich um und kicherte leise.
    „Die Spinne hat dich reingelegt. Sie ist ein Zwerg.“
    Sie nahm der Spinne die Lupe ab, mit der sie sich künstlich größer gemacht hatte und trug das Tier vorsichtig nach draußen.

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 119. Gefangen im Licht der Nacht

    Gefangen im Licht der Nacht

    Der alte Leuchtturmwärter saß am späten Abend im Liegestuhl auf dem Deich. Wie so oft blickte er verträumt zum Firmament.
    Plötzlich begannen die Sterne über ihm zu tanzen. Sie kamen zur Erde herab, umringten den Mann, nahmen in in ihrer Mitte gefangen.
    Lautes Summen schmerzte ihn in seinen Ohren. Er war der Ohnmacht nahe.
    Der Leuchtturmwärter begann, wild mit den Armen zu fuchteln, befreite sich aus seinem Lichtkerker und flüchtete in seinen Turm.
    „Verdammte Glühwürmchen. Das kriegt ihr zurück.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 118. Lynchturm VII

    Lynchturm VII

    Der alte Leuchtturmwärter betrat seine Wohnstatt und Arbeitsplatz. Beim ersten Schritt war er schockiert.
    Knochen. Überall Knochen. Der ganze Boden voll. Im Flur, in der Küche, selbst in der kleinen Schlafkammer waren sie verstreut. Hier musste etwas ganz Schreckliches passiert sein.
    Der Leuchtturmwärter trat ein, schlug schnell die Tür hinter sich zu und stürmte in die Stube.
    „Waldi!“ Er blieb vor seinem treuen Hund stehen. „Du sollst deine alten Knochen nicht ausbuddeln und in den Turm holen.“

    (c) 2023, Marco Wittler

  • 117. Lynchturm VI

    Lynchturm VI

    Der alte Leuchtturmwärter stand mit grimmigem Gesicht vor der Glasvitrine.
    „Es ist so weit. Ich werde der Welt mein wahres Gesicht zeigen. Das Versteckspiel hat ein Ende.“
    Er öffnete die Glastür, griff nach dem dort seit langem gelagerten Totenschädel und blies den Staub vom Knochen. Dann trat er hinaus auf den Balkon des Leuchtturms.
    Langsam hob er den Schäbel in die Luft.
    „Sein oder nicht sein. Ich erkläre die Shakespear Nordsee Festspiele für eröffnet.“
    Das Publikum applaudierte begeistert.

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