Schlagwort: Märchen

  • 526. Dem Nagel auf den Kopf

    „Autsch!“
    Der Nagel schrie aus Leibeskräften, als ihn der Hammer traf.
    „Jetzt stell dich nicht so an. Ich bin ein Hammer und du ein Nagel. Es ist unsere Bestimmung, dass ich dich mit voller Wucht treffe.
    „Autsch!“
    Schon beschwerte sich der Nächste über den gnadenlosen Schlag. Brennender Schmerz breitete aus.
    „Nägel sollst du hämmern, aber nicht uns. Wir sind wehrlose Fingernägel an der Hand.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 525. Enttarnt

    RoboDog lief dem Ball hinterher, den seine Besitzerin geworfen hatte.
    „Los, RoboDog! Schnapp ihn dir. Bring ihn zurück.“
    RoboDog lief, so schnell es sein Akku zuließ. Während er in den Flur abbog, rutschte er auf dem glatten Boden aus, knallte gegen den Türrahmen. Er verlor einige Schrauben, seine Metallverkleidung fiel zu Boden. Ein normaler Hund kam zum Vorschein.
    „Sorry.“
    Seine Besitzerin winkte ihn zu sich her. „Macht doch nichts. Ich werde es niemandem verraten.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 524. Endlich ein Geist

    „Endlich bin ich ein Geist. Endlich kann mich niemand mehr wahrnehmen.“
    Er kicherte leise und schlich durchs Haus. „Ich bin unsichtbar und machen und lassen, was ich will. Warum bin ich nicht schon früher auf diese geniale Idee gekommen?“
    Paul betrat das Wohnzimmer und bediente sich ungesehen an den Gummibärchen, die auf dem Tisch lagen.
    Mama, die auf dem Sofa saß, konnte ihren Sohn unter dem Bettlaken nur schwer ignorieren. Sie würde ihm seinen Spaß aber gönnen.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 523. Energie

    RoboDog lag faul im Garten und genoss die Sonne, die ihm auf den Pelz schien, als Nachbars Katze über den Zaun sprang.
    „Schau dir das an, RoboDog.“, rief seine Besitzerin. „Das ist Hausfriedensbruch. Du musst sie verjagen.“
    RoboDog schüttelte nur den Kopf, ohne sich weiter zu bewegen.
    „Keine Zeit. Ich muss mit meinen Solarzellen meinen Akku aufladen.“ Zum Beweis drehte er seine Ohren hin und her, während er der Katze heimlich zuzwinkerte.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 522. Geheimbotschaft

    Es klingelte. Heinrich öffnete die Tür, nahm vom Boten ein Paket entgegen.
    In der Küche griff er zum Messer, schnitt die Pappe auf und holte seine Bestellung heraus. Sie war mit Luftpolsterfolie gesichert.
    Die Folie wollte Heinrich gerade zur Seite legen, als ihm etwas auffiel.
    „Was ist das?“ Die Blasen hatten eine auffällige Anordnung. „Das ist … Morsecode.“
    Heinrich begann sofort mit der Übersetzung: „Wer dies liest, ist doof!“ „Haha.“ Heinrich fühlte sich ertappt. „Schlechter Witz.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 521. Winterschlaf

    Der Wecker klingelte. Die Frühlingsgöttin wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen. Müde gähnte sie laut und rieb sich den Sand aus den Augen.
    „Was denn? Schon wieder Frühlingsanfang. Ich will doch noch ein wenig schlafen.“
    Sie überlegte kurz und lächelte schließlich spitzbübisch. Die Frühlingsgöttin griff zum Wecker, drehte die Zeiger zwei Wochen zurück. Augenblicklich begann draußen ein kräftiger Schneesturm zu wüten, der die Erde wieder weiß färbte.
    „Gute Nacht.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 520. Gitarrenunterricht

    „Ich will Musikerin werden. Das ist mein großer Traum.“
    Fritzi betrat die Musikschule. Endlich würde sie die Gitarre lernen. Sie kam ihrem Plan, eine Rockband zu gründen, einen großen Schritt näher.
    Fritzi legte eine Hand auf die Seiten, versuchte den ersten Ton zu spielen. Es ertönte ein leises Pling, so leise, dass es kaum jemand hören konnte.
    Fritzi seufzte enttäuscht. „Warum gibt es eigentlich keine Gitarren für Flöhe? Wie soll ich mehr als eine Seite spielen?“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 519. Meister der Tarnung

    Der Kater war siegessicher. Heute würde er die Maus endlich erwischen. Im Garten hätte sie wie immer eine Chance gehabt. Hier im Haus war aber sein Reich. Hier kannte er jedes Versteck und jede dunkle Ecke. Sie konnte ihm nicht mehr entkommen.
    Die Maus lief ins Nähzimmer.
    „Ha! Das war ein Fehler. Du sitzt in der Falle.“
    Und dann sah er sich ungläubig um. Sie war verschwunden.
    „Wie? Was? Unmöglich.“
    Die Maus saß kichernd in der Knopfdose. Es hatte Vorteile, Knopfaugen zu besitzen. Beste Tarnung.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 518. Des Rätsels Lösung

    „Gleich!“ Er musste leise kichern. „Gleich ist es so weit. In wenigen Augenblicken werde ich das Rätsel, an dem ich schon so lange forsche, gelöst haben.“
    Er griff zum Kugelschreiber, wollte die letzten Zeichen in seiner Tabelle eintragen, als er ein genervtes Seufzen neben sich hörte.
    „Mensch, Heinrich.“, beschwerte sich Brigitte. „Kannst du nicht ein einziges Mal ein Kreuzworträtsel lösen, wie alle anderen auch? Immer dieses Theater.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 516. Schlammbad

    Langsam ließ sie sich in dem dunkelbraunen Schlammbad nieder. Das hatte sie sich nach der harten Woche redlich verdient.
    Sie seufzte glücklich. „Ich war jeden Tag stundenlang unterwegs. Mir tut alles weh. Aber nach dem Bad wird das bestimmt schon besser sein.“
    Paul, der von alledem nichts mitbekommen hatte, griff zu seiner heißen Schokolade. Noch bevor er einen Schluck davon trank, bemerkte er die Fliege darin. „Nicht dein Ernst!“
    „Doch!“, antwortete sie. „Das hab ich mir verdient.“

    (c) 2024, Marco Wittler

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