Schlagwort: Geschichtenerzähler

  • 516. Schlammbad

    Langsam ließ sie sich in dem dunkelbraunen Schlammbad nieder. Das hatte sie sich nach der harten Woche redlich verdient.
    Sie seufzte glücklich. „Ich war jeden Tag stundenlang unterwegs. Mir tut alles weh. Aber nach dem Bad wird das bestimmt schon besser sein.“
    Paul, der von alledem nichts mitbekommen hatte, griff zu seiner heißen Schokolade. Noch bevor er einen Schluck davon trank, bemerkte er die Fliege darin. „Nicht dein Ernst!“
    „Doch!“, antwortete sie. „Das hab ich mir verdient.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 516. Tarzan

    „Ich bin der Herr der Lüfte, ein Meister an der Liane. Ich bin der König des Waldes. Ich bin Tarzan.“
    Tarzan griff zum Seil, das vor ihm baumelte, schwang es hin und her und stürzte unsanft auf den Boden.
    „Wie oft soll ich es dir noch sagen?“ Die Frau, die gerade ins Wohnzimmer kam, schüttelte den Kopf. „Du bist nicht Tarzan. Du bist ein Kater mit einem viel zu dicken Hintern. Du kannst dich nicht durch die Wohnung schwingen.“
    „Mach mir meine Träume nicht kaputt.“, antwortete der Kater.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 515. Ich habe auf dich gewartet

    Irgendwas stimmte da nicht. Seit einer Stunde stand er auf der Landstraße im Stau. Es ging einfach nicht weiter.
    Mario stieg aus, marschierte an den Autos vorbei, wollte wissen, was da passiert war.
    Nach ein paar hundert Metern entdeckte er das große Krokodil auf der Straße.
    „Mario, mein Erzfeind. Endlich!“
    Mario seufzte. „Das hier ist kein Computerspiel und ich bin kein Klempner. Verzieh dich in deinen Teich, ich habe eine Pizza auszuliefern.“

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 514. Laufsteg

    Sie betrat den Laufsteg. Sie wusste, dass jetzt alle Augen auf sie gerichtet waren. Jetzt musste nicht nur jeder Schritt, sondern auch das Outfit sitzen.
    Sie zog sich ein letztes Mal ihren Einteiler zurecht, dann marschierte sie los.
    Sie blickte weder nach rechts, noch nach links, achtete nicht auf die Menschen, die den Atem anhielten und ihr hinterher sahen.
    Sie erreichte das Ende des Stegs. Sie griff zur Nase, hielt sie die Löcher zu und sprang.
    „Arschbombe!“, rief sie und landete im Wasser.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 513. Spaziergang mit Folgen

    RoboDog stand stolz vor dem Spiegel und betrachtete seinen künstlichen Körper von oben bins unten. Es hatte große Vorteile, ein Roboter zu sein. Er war unglaublich stark und unzerstörbar.
    „Los, RoboDog. Wir gehen spazieren.“
    Ui. Spazieren. Das liebte RoboDog. Er schnappte sich die Leine.
    Gemeinsam mit Frauchen verließen sie das Haus – und standen im strömenden Regen.
    RoboDog spürte, wie sich der Rost in seine Gelenke fraß. Doch da war es schon zu spät.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 512. Live in Concert

    Er setzte sich. Sein Blick verriet höchste Konzentration. Heute würde er das erste Mal auf dem neu gelernten Musikinstrument spielen. Entsprechend nervös war er.
    Hatte er an alles gedacht? Lagen die Noten bereit? Hatte er ausreichend getrunken, um den Auftritt bis zum Ende durchzuhalten?
    Er schloss die Augen, atmete ein letztes Mal tief durch, bevor er in die Toilettenschüssel zu pinkeln begann. Mit jedem Tropfen spielte er seine neueste Komposition.
    Normal aufs Klo gehen konnte halt jeder.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 511. Ausbruch

    „Leute! Es ist so weit.“ Der Kommandant trommelte die Truppe zusammen. Unser Ausbruch steht kurz bevor. Draußen steht bereits der Wächter. Er wird jeden Augenblick die Tür öffnen. Wir gehen nach Plan vor. Sobald der Weg frei ist, stürmen wir ihm alle gleichzeitig entgegen, überrumpeln ihn und entkommen in die Freiheit.“
    Schon begann es zu knistern und die Gefängniszelle erbebte.
    Die Verpackung wurde aufgerissen. Die Gummibärchen sprangen dem Hungrigen über die Hand und flohen.
    Endlich frei.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 510. Grenzschutz

    „Bis hierher und nicht weiter.“
    Die Grenzschützer hatten vor dem Schlagbaum Aufstellung genommen und die Schranke geschlossen.
    „Die Gesetze haben sich geändert. Wir dürfen niemanden mehr ins Land lassen.“
    Die Reisenden waren enttäuscht. Unter größten Strapazen waren sie über Wochen hierher gekommen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
    „Eure Gesetze sind mir egal.“ Eine große Eiche streckte ihre Wurzeln aus, überwand unterirdisch die Grenze und kicherte leise in sich hinein.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 509. Winterspaß

    In der dicken Schneedecke bildete sich ein schmaler Riss, der schnell zu einer großen Mulde schmolz. Ein verstecktes Tor kam zum Vorschein, aus dem die Frühlingsgöttin emporstieg.
    Sie blickte sich um. Das viele Weiß musste weg, sollte Gräsern und Blumen Platz machen.
    Sie überlegte, grinste und schüttelte den Kopf.
    „Dieses Jahr möchte ich auch meinen Spaß haben.“
    Sie schnappte sich einen Schlitten und brauste den Hügel hinab. Der Frühling konnte noch warten.

    (c) 2024, Marco Wittler

  • 508. Rekordsprung

    „Ich bin der beste Sportler aller Zeiten. Ich werde es schaffen.“
    Fritz stellte sich auf die Laufbahn, blickte auf die weit über ihm liegende Querstange. Heute würde er den Rekord im Stabhochsprung knacken.
    Er nahm Anlauf, rammte den Zahnstocher, den er als Sprungstab benutzte, in den Boden und hob ab. Er überwandt die Spaghetti, die auf zwei Zuckerwürfeln gelagert war und fiel sanft auf eine Feder.
    Geschafft.
    Das Flohpublikum jubelte seinem Helden zu.

    (c) 2024, Marco Wittler

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