Das Fenster zur Hölle

Das Fenster zur Unterwelt

Wie aus dem Nichts tauchte es inmitten des Asphalts auf. Die ersten Fahrzeuge wichen panisch aus, kamen ins Schleudern und konnten ihre Fahrt nur mit Mühe stabilisieren, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Die nachfolgenden Fahrer schalteten den Warnblinker ein, bremsten ab und blieben stehen. Schnell bildete sich ein mehrere Kilometer langer Stau auf der Autobahn.
Ein paar Männer stiegen neugierig aus, gingen langsam näher. Hätten sie es nicht mit eigenen Augen gesehen, sie hätten vermutet, dass das Fenster von einem LKW oder einem Pritschenwagen gefallen war. Doch das hier grenzte an Magie, an Hexerei.
Schon ein erster Blick bestätigte, dass das Auftauchen nichts mit rechten Dingen zu tun hatte. Hinter dem Glas befand sich ein Loch, dessen Boden nicht zu sehen war.
Plötzlich regte sich etwas in der Tiefe. Da war eine Bewegung. Zwei Wesen, die direkt aus der Unterwelt zu kommen schienen, näherten auf einer in Stein gemeißelten Treppe, die vor wenigen Augenblicken noch gar nicht existiert hatte.
Zwei Dämonen, von feuerroter Haut umhüllt und mit langen, gedrehten Hörnern auf der Stirn, kamen zur Oberfläche. Ohne die Menschen um sich zu beachten, öffneten sie das Fenster, als wäre es das Normalste auf der Welt und stiegen ins Freie. Dichter Rauch folgte ihnen und verflüchtigte sich schnell über der Autobahn. Ein süßlicher Duft, der dem einen oder anderen bekannt vorkam, breitete sich aus.
„Alter, Mann, das ist die geilste Party ever. So einen höllisch guten Spaß hatte ich seit einer Ewigkeit nicht mehr.“ Der Dämon überlegte, begann zu lachen. „Wenn ich es mir recht überlege, hatte ich noch nie so viel Spaß, nicht einmal vor Beginn der Ewigkeit. Ist halt etwas anderes, wenn der Boss auf Fortbildung ist und uns nicht ständig überwacht.“
Sie griffen in Taschen, von denen sie selbst nicht wussten, dass sie sie besaßen und holten je einen Glimmstängel hervor. „Man, man, man, das ist aber auch ein geniales Kraut. Verstehe gar nicht, dass die Menschen es jetzt erst legalisiert haben.“
Sie begannen erneut nach etwas zu suchen und gaben seufzend auf. „Na toll, da ist man mal kurz raus aus der Hölle, schon hat man kein Feuer mehr bei sich.“
Erst jetzt nahmen sie die verwirrten, teils eingeschüchterten und verängstigten Menschen um sich herum wahr. Den Typen, der vor allen anderen stand, winkten sie zu sich. „Hey, Mann, hast du mal Feuer? Du bekommst auch einen Zug aus meiner Tüte als Dankeschön. Das hier ist nämlich das beste Dope, das wir je geraucht haben.“
Sie ließen sich Feuer geben, nahmen tiefe Züge, die sie ihn dichten Wolken wieder ausstießen.
„Was meinst du wohl, wie der Boss reagieren würde, wenn er uns beim kiffen erwischt?“, fragte der eine.
„Er würde uns auf direktem Weg in die Hölle befördern.“, antwortete der andere.
Dann begannen sie so laut zu lachen, dass es auf der ganzen Autobahn zu hören war.

(c) 2024, Marco Wittler

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